Gute Ausbildung kann man lernen
Aus dem gläsernen Besprechungsraum heraus kann Andreas Kurth die Auszubildenden an den Werkbänken sehen. EJOT fertigt Verbindungstechnik für die Industrie. Die Produktionshalle, in die Andreas Kurth hinabblickt, ist hell und sauber. Erst vor ein paar Jahren hat die mittelständische Unternehmensgruppe EJOT die neue Werkshalle an seinem Stammsitz in Bad Berleburg bauen lassen. Schon seit den 1920er Jahren sitzt das Unternehmen hier im Kreis Siegen-Wittgenstein. Ca. 40 Auszubildende lernen am Standort ihr Handwerk. An den Standorten in Siegen-Wittgenstein und Thüringen werden insgesamt 120 Auszubildende und Duale Studenten ausgebildet.
Qualität in der Ausbildung sichern
„Die neue Generation tickt anders“, sagt Ausbildungskoordinator Kurth und schiebt den Ordner mit seinen Unterlagen ein Stück beiseite. Kurth selbst ist 32 Jahre alt. 2006 hat er seine Lehre beendet. Es ist keine Ewigkeit, die ihn altersmäßig von den Auszubildenden an der Werkbank trennt. „Und trotzdem ist das eine andere Generation“, stellt er fest. „Es fängt damit an, dass ich die meisten Apps, die die auf ihren Handys sind, gar nicht kenne. Aber wer eine gute Ausbildung anbieten will, muss sich mit den Jugendlichen auseinandersetzen. Es geht darum, sich gegenseitig zu verstehen – anders funktioniert Ausbildung meiner Meinung nach weder in kleinen noch in großen Unternehmen. Und es geht darum die Qualität in der Ausbildung zu sichern. Denn nur dann sind wir als Unternehmen zukunftsfähig.“
Die Qualität der Ausbildung ist dem Unternehmen wichtig. Es geht hier nicht nur um einen Wohlfühl-Kuschel-Kurs mit dem Nachwuchs. Es geht um eine strategische Entscheidung der Geschäftsführung. „Wer gute Leute will, muss eine gute Ausbildung anbieten – unsere Ausbilder besuchen deshalb alle eine Weiterbildung bei der Ausbilder-Akademie der Industrie- und Handelskammer in Siegen.“
„Wir gehen davon aus, dass wir das Unternehmen in den nächsten Jahren immer stärker digitalisieren werden. Dafür brauchen wir fitte Talente, die eigenständig denken und unsere Unternehmensvision mitgestalten.“
Colette Rückert-HennenEJOT-GeschäftsführerinDie Ausbilder-Akademie
30 Ausbilderinnen und Ausbilder der EJOT-Standorte Siegen-Wittgenstein und Thüringen haben mittlerweile die Ausbilder-Akademie absolviert. Auf dem Lehrplan standen „Fachliche Qualifikation“, „Kommunikation und Führung in der Ausbildung“ und „Methoden der Ausbildung“. Das Unternehmen möchte mit dem Zertifikat der IHK im Sinne des Employer Branding werben. Die konsequente Schulung der Ausbilder soll aber auch einen internen Wertewandel einleiten. „Unsere Ausbilder führen heute regelmäßige Mitarbeitergespräche mit den Azubis und geben ihnen Feedback“, berichtet die Geschäftsführerin. „Gleichzeitig bewerten aber auch die Jugendlichen ihre Ausbilder. Das ist eine neue Art des Austauschs auf Augenhöhe, die wir für die Zukunft wollen und brauchen.“
„Pädagogischer Werkzeugkoffer“ für die Ausbildung
Als Ausbildungskoordinator ist es die Aufgabe von Andreas Kurth diesen Wertewandel zu begleiten – und zwar an allen fünf Unternehmensstandorten, die es heute in Deutschland gibt. „Ich kümmere mich darum, dass wir einheitliche Standards haben und um die konzeptionelle und strategische Ausrichtung der Ausbildung“, erklärt er seinen Job. Dass es eine solche übergeordnete Position gebe, sei natürlich auch der Unternehmensgröße geschuldet. „Letztlich profitiert aber auch jedes kleine Unternehmen davon, wenn der Ausbilder sich Gedanken über die Qualität der Ausbildung macht“, sagt Kurth. „Und vermutlich ist es in einem kleinen Handwerksbetrieb sogar noch intensiver möglich, die Jugendlichen individuell zu fördern und auf ihre Bedürfnisse einzugehen.“
Kurth ist kein Theoretiker. Er kann nachfühlen, wie schwierig die Arbeit eines Ausbilders ist. Er erinnert sich gut daran, wie er nach dem Erwerb seines Ausbilderscheins erstmals vor zehn Azubis stand. „Da merkt man plötzlich: Eigentlich bin ich darauf gar nicht vorbereitet. Mir fehlt ja der ganze pädagogische Werkzeugkoffer, den Lehrer zum Beispiel mitbringen.“
Auch Kurth ist deshalb gezielt auf die Suche nach einer Fortbildung gegangenn. Er ist dabei auf unterschiedliche regionale und überregionale Angebote gestoßen. Letztlich hat er sich für das Trainingsprogramm Stark für Ausbildung eingeschrieben, das er mit den angebotenen Präsenz- und Online-Seminaren gut mit seinem Arbeits- und Familienleben vereinbaren konnte. Das Programm richtet sich insbesondere an Ausbilderinnen und Ausbilder in kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Konfliktlösung in der Ausbildung
„Stark für Ausbildung“ coacht Ausbilder in sechs Trainingsmodulen. Die Ausbilder lernen über Online-Plattformen, treffen sich aber auch regelmäßig zu Praxisseminaren. „Der Austausch mit anderen Ausbildern war für mich total wertvoll“, erzählt Kurth rückblickend. „Fast jeder Ausbildungsbetrieb hat Erfahrung mit Konfliktsituationen: Der eine klagt über die Lernschwäche seiner Azubis. Der andere hat Probleme mit Schulschwänzern. Und plötzlich wird einem klar: Man kann die Jugendlichen nicht ändern. Und es bringt einem auch nichts, die Jugendlichen mit diesen Problemen allein zu lassen. Deine Aufgabe als Ausbilder ist es, Konflikte angemessen anzusprechen und gemeinsam mit dem Auszubildenden zu lösen.“
Natürlich gelinge das nicht immer. Trotz Fortbildung gebe es auch bei EJOT Konfliktsituationen, die immer wieder auftreten. „Die Tatsache, dass die Jugendlichen ihr ganzes Wissen nicht mehr zwischen den Ohren haben, sondern im Smartphone, ist für Ausbilder häufig schwer zu akzeptieren“, meint Kurth. „Aber muss man eine Formel wirklich im Kopf haben, wenn das Ergebnis am Ende stimmt?“ – Es sind solche Fragen, mit denen Kurth sich als Ausbildungskoordinator aktiv beschäftigt. Und für die er versucht, im Sinne des Unternehmens Antworten zu finden.
zur Initiative "Stark für Ausbildung"