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Ausbildung ist keine Frage der Nationalität

Ausbildung ist keine Frage der Nationalität

Selbstständige mit Migrationshintergrund beschäftigen in Deutschland weit über zwei Millionen Menschen. Doch vor der dualen Berufsausbildung schrecken viele zurück. Das Juweliergeschäft Savran wurde von KAUSA beraten und bildet jetzt aus.

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Das Projekt KAUSA Servicestelle Region Nürnberg und das Juweliergeschäft Savran in Erlangen

Es ist 09.30 Uhr. Ein 17jähriger in Anzug und Krawatte besprüht die Außenscheibe des Juweliergeschäftes Savran mit Glasreiniger. Er wischt mit dem Fensterleder nach. Sauberkeit ist Collin wichtig. „Unser Schmuck soll dem Kunden ja gleich ins Auge fallen“, sagt er. Und: „Mir muss die Chefin nicht erst sagen, dass das Geschäft ordentlich aussehen muss. Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit.“

Collin stammt aus einer alteingesessenen Erlanger Familie. Sein Großvater war Großhändler für Schmuck. Als Collin die Schule beendet hatte, nahm der Senior seinen Enkel und stellte ihn der türkischstämmigen Geschäftsinhaberin Asiya Savran vor: „Der Junge muss was Vernünftiges lernen“, erklärte er. „Kann er in eurem Schmuckgeschäft ein Praktikum machen?“ Im Sommer wird der junge Mann im Juweliergeschäft Savran seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann beginnen.

Nur jeder siebte Geschäftsführer mit ausländischen Wurzeln bildet aus

Hätte Collins Großvater ein paar Jahre früher bei Asiya Savran vorgesprochen, wäre Collins Eintritt ins Berufsleben so nicht möglich gewesen. Wie viele andere Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer mit Migrationshintergrund, machte Asiya Savran sich lange Zeit keine Gedanken darüber, selbst auszubilden. „Wer ausbildet trägt eine große Verantwortung“, meint Asiya Savran. „Ausbilder müssen sich mit Berufsschulen und Kammern austauschen und sie haben einen hohen Verwaltungsaufwand. Ich denke, das kann auf kleine Unternehmen durchaus abschreckend wirken.“

Susanne Petricica hat die Bedenken zur dualen Berufsausbildung von Einzelhändlern, Gastronomen oder Friseuren schon häufig gehört. Sie ist Leiterin der KAUSA-Servicestelle in Nürnberg. KAUSA ist ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und hat den Auftrag, migrantische Unternehmerinnen und Unternehmer von der dualen Berufsausbildung zu überzeugen. Der Bedarf scheint da zu sein: 737.000 Selbständige mit ausländischen Wurzeln gibt es in Deutschland (Stand: 2015). Sie sind Arbeitgeber für weit mehr als zwei Millionen Menschen. Aber während jeder vierte deutsche Unternehmer ausbildet, traut sich nur jeder siebte Geschäftsführer mit Migrationshintergrund an eine duale Berufsausbildung.

„Vielen Geschäftsinhabern mit Migrationshintergrund fehlt schlicht und einfach auch das Wissen über das Ausbildungssystem in Deutschland“, erklärt Susanne Petricica. „Die Verzahnung mit der Berufsschule und die Anforderungen bestimmter Prüfungsleistungen sind ihnen erstmal fremd.“

Polieren von Schmuckgegenständen

Vorbereitung auf den Ausbilderschein

Natürlich wusste die Geschäftsfrau Asiya Savran schon vor dem ersten Kontakt mit der KAUSA Servicestelle, wie eine Ausbildung funktioniert. Schließlich ist sie selbst in Deutschland aufgewachsen, hat eine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau absolviert. Aber wie genau ist das mit dem Ausbilderschein? Und wie viele Auszubildende darf sie zeitglich betreuen? – „Wir haben Asiya Savran auf dem Weg zu ihrem Ausbilderschein begleitet“, beschreibt Petricica die Rolle der KAUSA Servicestelle. „Zum Beispiel haben wir ihr zu dem Vorbereitungskurs für den Ausbilderschein beim AAU e.V. geraten.“

 

Ein halbes Jahr lang ließ sich Asiya Savra nach ausgefüllten Arbeitstagen noch schulen: in arbeitsrechtlichen Grundlagen, im organisatorischen Aufbau einer dualen Berufsausbildung, im richtigen Umgang mit Auszubildenden. „Ich komme von der alten Schule“, gibt Asiya Savran zu. „Für mich war es selbstverständlich, dass ein Auszubildender auch mal den Kaffee kocht. Aber wie ich gelernt habe, pflegt man heute einen kameradschaftlicheren Umgang zwischen Chef und Auszubildenden. Daran musste ich mich erst gewöhnen.“ Asiya Savran hat sich mit ihrer Rolle als Ausbilderin intensiv auseinandergesetzt. Sie hat die Vorbereitung auf den Prüfungstermin bei der IHK ernst genommen. Und sie hat die Prüfung ohne Probleme bestanden.

Asiya Savran hilft ihrer Auszubildenden Kristina Deutsch zu lernen

Die erste Auszubildende

Ihre erste Auszubildende hat die Geschäftsinhaberin dann wenig später als Kundin kennengelernt. Die junge Frau wollte gemeinsam mit ihrem Freund Ringe anprobieren. „Ich habe in die Augen von diesem hübschen Mädchen gesehen und sofort gemerkt, dass sie Hilfe braucht.“ – „Die Chefin ist mein Engel“, sagt Kristina, die als Kriegs-Flüchtling von der Ostukraine nach Deutschland kam. „Es ist mein Lebensziel in Deutschland zu arbeiten und mir eine Zukunft aufzubauen. Es ist schwer einen Ausbildungsplatz zu bekommen, wenn man noch nicht gut Deutsch spricht. Ich bin so dankbar, dass ich hier eine Chance bekommen habe.“


Kristina sagt von sich selbst, dass sie ehrgeizig ist. In der Ukraine hat sie als Lehrerin gearbeitet. Gute Noten sind ihr wichtig: „Vor kurzem hat sie bei uns im Laden gestanden und geweint, weil sie eine Drei in der Berufsschule geschrieben hat“, erzählt Asiya Savran schmunzelnd. „Sie schreibt sonst nur Einsen und Zweien. Sie ist der Typ Mensch, der keine halben Sachen macht. Ich weiß, dass ich mich 100-prozentig auf sie verlassen kann.“

Ausbilden für die Zukunft

Asiya Savran ist froh, dass sie den Impuls der KAUSA Servicestelle aufgegriffen und selbst einen Ausbilderschein gemacht hat. Nur so konnte sie Kristina und Collin als Auszubildende verpflichten. Die Stimmung in dem türkisch-ukrainisch-deutschen-Team sei gut. Im Arbeitsalltag spielten die unterschiedlichen Nationalitäten keine Rolle. „Die jungen Kunden in unserem Trendbereich möchten außerdem von jungen Fachverkäufern beraten werden“, sagt die Geschäftsinhaberin. „Und mein Mann und ich brauchen Nachfolger, die unsere Philosophie kennen.“ Wenn alles gut geht – und so wünscht es sich Asiya Savran – dann wird Kristina einmal in ihre Fußstapfen treten. Ihre erste Auszubildende soll in der Zukunft einmal die Verantwortung für die Geschäfte haben.

Tipp: Die Koordinationsstelle Ausbildung und Migration (KAUSA) berät Selbstständige mit Migrationshintergrund zur dualen Berufsausbildung. 

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