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Inklusion als Mehrwert für Unternehmen

Inklusion als Mehrwert für Unternehmen

Olaf Guttzeit ist Inklusionsbeauftragter bei einem weltweit tätigen Pharmaunternehmen mit Sitz in Deutschland. Im KOFA-Interview erzählt er, warum er sich für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung einsetzt. Die von ihm beschriebenen Maßnahmen lassen sich einzeln auch in kleinen und mittleren Unternehmen umsetzen ebenso wie der Gedanke, Vielfalt als Mehrwert für das eigene Unternehmen und dessen Kunden zu begreifen.

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Wie Inklusion am Arbeitsplatz gelingt

Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) schimpfen über die Ausgleichsabgabe. Zahlt auch die Boehringer Ingelheim diese Abgabe?

Guttzeit: Die Ausgleichsabgabe ist gesetzlich verankert und wird zur finanziellen Unterstützung für Maßnahmen zum Ausbau z. B. von Barrierefreiheit in Unternehmen genutzt. Vor diesem Hintergrund und als Anreiz zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung hat sie ihre Berechtigung.

Sicherlich ist sie für Unternehmen, die die vorgeschriebene Beschäftigungsquote nicht erfüllen, ein finanzieller Aufwand. Auch im Unternehmensverband von Boehringer Ingelheim am Standort Deutschland erreichen nicht alle Gesellschaften die 5 %-Quote und es wird die Ausgleichsabgabe entrichtet. Gemindert wird sie durch Aufträge, die an zertifizierte Werkstätten für Menschen mit Behinderungen vergeben werden.

Haben Sie bewusste Schritte eingeleitet, um Menschen mit einer Behinderung zu rekrutieren?

Guttzeit: Der viel diskutierte Fachkräftebedarf  ist an vielen Stellen Realität geworden. Um weiterhin qualifiziertes Personal rekrutieren zu können, ist es essentiell, dass man als Unternehmen attraktiv ist für den Markt der Bewerbenden. Das schließt den Bereich der Menschen mit Behinderungen absolut mit ein.

Boehringer Ingelheim positioniert sich am Markt als attraktiver Arbeitgeber für Menschen mit Behinderungen, für den z. B. Barrierefreiheit ein Standard ist.

Zusätzlich bietet das Unternehmen Praktikumsmöglichkeiten an, die niedrigschwellige Einstiegsmöglichkeiten gerade für junge Menschen mit Behinderungen sind. Regelmäßig Informationsveranstaltungen für Interessierte in Kooperation mit der Agentur für Arbeit unterstreichen unser Engagement.

Bedauerlich ist hingegen, dass die Anzahl der Bewerbenden, die angeben, dass sie einen Grad der Behinderung besitzen, sehr gering ist. Hier ist es dringend notwendig, dass Stigmatisierungsängste oder Vorurteile auf beiden Seiten abgebaut werden.

In welchen Arbeitsbereichen arbeiten bei Ihnen Menschen mit Behinderung?

Guttzeit: Rund 90 % unserer insgesamt über 550 Beschäftigten mit Behinderungen haben eine nicht auf den ersten Blick erkennbare Behinderung. Sie arbeiten in allen Bereichen des Unternehmens. Sie sind sowohl im gewerblichen Bereich als auch im Labor oder im Verwaltungsbereich beschäftigt.

Mit dem Aktionsplan 2012-2020 haben Sie als erstes Unternehmen in Deutschland einen Plan entwickelt, um die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen? Was steht in dem Plan?

Guttzeit: Unser Aktionsplan behandelt mehr als 100 konkrete Maßnahmen, mit denen wir einen Beitrag zur Umsetzung der UN-BRK in unserem Unternehmen leisten wollen. Dieser Aktionsplan definiert sieben Handlungsfelder, die praxisnah aufzeigen, wie wir Inklusion im Unternehmen fördern wollen.

Unsere Handlungsfelder reichen dabei von Bewusstseinsbildung und barrierefreier Kommunikation, über Ausbau der Barrierefreiheit auf dem Firmengelände und an den Arbeitsplätzen, bis hin zu Präventionsmaßnahmen, Ausbildung und Qualifizierung sowie Kooperation mit Leistungsträgern und externen Unterstützern.

Welche Hürden treten im Unternehmen auf, um einen solchen Plan umzusetzen?

Guttzeit: In einer Organisation mit rund 15.000 Beschäftigten an vier Standorten in Deutschland stehen wir immer wieder vor der Aufgabe, sicherzustellen, dass eine inklusive Unternehmenskultur in allen Bereichen gelebt wird. Das ist eine Herausforderung. Mit regelmäßigen Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung, Schulungen der Führungskräfte und einer sehr vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen versuchen wir, dies zu unterstützen.

Unsere Erfahrung ist, dass Inklusion immer dann gelingt, wenn alle Beteiligten die Bereitschaft zeigen, ressourcen- statt defizitorientiert zu denken. Das heißt, wenn sie auf die Stärken und Fähigkeiten des einzelnen schauen, nicht auf seine Defizite. Das betrifft sowohl die Führungskräfte vor Ort als auch die betreffende Person selbst.

Welche Argumente sprechen aus Ihrer Erfahrung dafür, Menschen mit Behinderung zu rekrutieren statt die Ausgleichsabgabe zu zahlen?

Guttzeit: Vielfalt in der Belegschaft ist nicht nur ein Wert, sie schafft einen Mehrwert. Personelle Vielfalt steigert die Motivation der Beschäftigten, erleichtert die Personalsuche und -gewinnung, verbessert oft auch die Kundenbindung, hilft bei der Erschließung neuer Märkte und der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.

Zu einer vielfältigen Belegschaft zählt auch die Dimension der Menschen mit Behinderungen. Ich empfehle, dies nicht aus den Augen zu verlieren. Ein Unternehmen, das es versteht, Vielfalt durch eine Kultur der Inklusion wirken zu lassen, wird einen Wettbewerbsvorteil erleben. Von daher möchte ich den Fokus nicht so stark auf die Schwerbehindertenquote und Ausgleichsabgabe legen, sondern für eine Veränderung der Unternehmenskultur werben.

Haben Sie das Gefühl, dass andere Unternehmen Ihrem Beispiel folgen?

Guttzeit: Immer mehr Unternehmen erkennen den Mehrwert und die positive Auswirkung von Inklusion auf die Unternehmenskultur. Dabei reduziert sich die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur nicht nur auf Menschen mit einem anerkannten Grad der Behinderung, sondern bezieht alle Mitarbeitenden mit ein.

Ich selbst bin im UnternehmensForum aktiv, einem Zusammenschluss von rund 30 Unternehmen, die sich stark machen für mehr Inklusion in der Wirtschaft. Zusammen mit anderen Partnern hat das Netzwerk den Inklusionspreis für die Wirtschaft ausgelobt. Er soll über gute Beispiele auch andere Unternehmen anspornen, auf die vielfältigen Potenziale von Menschen mit Behinderungen zu setzen. Hier werden jedes Jahr auch kleine Unternehmen für Ihre Integrationserfolge ausgezeichnet.

Aus meiner Arbeit im UnternehmensForum weiß ich, dass gerade Erfolgsbeispiele weite Kreise ziehen. Viele Arbeitgeber brauchen Vorbilder und Best Practice, die praxisnah zeigen, wie das Potenzial von Menschen mit Behinderung erfolgreich in das Arbeitsleben integriert werden kann – ganz unabhängig von der Größe eines Unternehmens.

Boehringer Ingelheim ist ein Weltmarktführer im Bereich der Pharmaindustrie und hat natürlich andere Ressourcen im Personalbereich als der Handwerker um die Ecke. Was ist Ihr Tipp für kleine Unternehmen – wo können diese anfangen?

Guttzeit: Das Motto der Bundesregierung zur Umsetzung des Nationalen Aktionsplans ist: „einfach machen“. Dieses Motto ruft dazu auf, Dinge einfach einmal auszuprobieren. Das kann ich jedem Arbeitgeber aus eigener Erfahrung sehr empfehlen.

Auf der anderen Seite beinhaltet dieses Motto auch den Hinweis, Dinge deutlich einfacher zu machen. Auch das kann ein Schlüssel zum Erfolg sein. Vielleicht ist die Probebeschäftigung, eine Hospitation oder auch ein ausgelagerter Arbeitsplatz der Einstieg in ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis.

Wir danken Herrn Guttzeit für das Gespräch.