Fachkräftesituation im Gastgewerbe
Um Personalengpässen entgegenzuwirken, werden verstärkt auch internationale Fachkräfte rekrutiert. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?
Warden: Wir sind von jeher eine internationale Branche. Es gibt viele Unternehmer mit eigener Einwanderungsgeschichte und der Anteil ausländischer Beschäftigter ist sehr hoch. Auch viele unsere deutschen Nachwuchskräfte verbringen Lehr- und Wanderjahre im europäischen und außereuropäischen Ausland. Gezielte Fachkräfterekrutierung in Nicht-EU-Staaten war für das Gastgewerbe allerdings vor dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz rechtlich nicht möglich.
Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird seit März 2020 erstmals eine allgemeine Einwanderung ausländischer Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern geregelt. Hilft das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Branche bereits in der Praxis?
Warden: Ohne internationale Rekrutierung ist die Branche angesichts der demografischen Entwicklung und unseres hohen Arbeitsintensität langfristig nicht lebensfähig. Wir haben uns daher alle wahnsinnig gefreut, als das Fachkräfteeinwanderungsgesetz endlich in Kraft trat. DEHOGA hatte auch lange für offenere Regelungen gekämpft. Und dann kam Corona und im gleichen Monat wie das FEG der erste Lockdown für das Gastgewerbe. Aufgrund von Einreisebeschränkungen und Kurzarbeit konnten wir also 2020 und 2021 kaum international rekrutieren. Aber wir sind sicher, dass die Fachkräftegewinnung aus Drittstatten in der Branche eine Renaissance erleben wird. Wir merken bereits, dass die Nachfrage der Betriebe sowohl nach Auszubildenden aus dem Ausland als auch nach Arbeitskräften wieder sprunghaft angestiegen ist.
Hier finden Sie Informationen über die Fachkräftesituation im Gastgewerbe sowie praktische Tipps zur Azubisuche und Rekrutierung von internationalen Fachkräfte.
Zum KOFA-Spezial: GastgewerbeVon welchen Erfahrungen haben Unternehmen der Branche diesbezüglich berichtet?
Warden: Wir sind entschlossen, dazu beizutragen, dass die Potenziale, die in dieser Thematik stecken, tatsächlich auch genutzt werden können. Das ist nicht einfach, denn die formalen Anforderungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes sind für viele Unternehmen herausfordernd. Das häufigste Wort, das wir hören, wenn wir die Unternehmen nach ihren Einschätzungen fragen, ist „bürokratisch“. Die Visaverfahren dauern teilweise viel zu lange, die Anerkennung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsqualifikationen ist schwer im Vorfeld einzuschätzen, die Kommunikation mit den Ausländerbehörde für Beschäftigte und Unternehmen aufwendig. Besonders kleinere Betriebe sind nicht in der Lage, aus eigener Kraft irgendwo in Südostasien, Indien oder Südamerika Mitarbeitende zu rekrutieren. Da braucht es Unterstützung von außen.
Hilft das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Branche bereits in der Praxis?
Warden: Wegen der Überschneidung des Inkrafttretens mit Corona werden die neuen Möglichkeiten der Fachkräfteeinwanderung derzeit tatsächlich noch recht selten angewendet. Was bereits genutzt wird, sind die Möglichkeiten, die es auch vor dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz schon gab und die jetzt neu systematisiert wurden: insbesondere in der Ausbildung, bei Pflichtpraktika von Studierenden und Hotelfachschülern und bei Spezialitätenköchen.
Wenn wir hier in Deutschland ausländische Jugendliche selbst ausbilden, hat das den großen Charme, dass die Notwendigkeit zur Anerkennung der Gleichwertigkeit der Qualifikation nicht besteht. Allerdings ist der vorbereitende Spracherwerb hier besonders wichtig, da sonst die Auszubildenden dem Berufsschulunterricht nicht folgen und ihre Prüfung auch nicht meistern können. Und bei sehr jungen Menschen muss in den Betrieben viel Betreuungsarbeit geleistet werden, das ist alles andere als trivial.
Wir danken Frau Warden für das Gespräch.