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Elternschichten: Flexibles Arbeiten in der Produktion

Elternschichten: Flexibles Arbeiten in der Produktion

Zuletzt aktualisiert: 01. Oktober 2024

Der Süßwarenhersteller Sweet Tec produziert im klassischen 24-Stunden-Schichtbetrieb. Doch er hat ein Modell entwickelt, damit Familie und Beruf besser vereinbar sind. Das Praxisbeispiel zeigt, was Unternehmen beachten sollten.

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3 Tipps zu mehr Flexibilität

1. Beschäftigte einbinden: Es lohnt sich, auch Mitarbeitenden in der Produktion eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Besonders gut gelingt das, wenn man sie bei der Suche nach Lösungen einbindet. Workshops in Kleingruppen sind geeignet, um Ideen zu sammeln.  

2. Kosten einkalkulieren: Flexibles Arbeiten in der Produktion zu ermöglichen, kostet kurzfristig mehr Geld, als einfach beim Regelbetrieb zu bleiben. Im Gegenzug kann es aber gelingen, die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu erhöhen und sie langfristig im Betrieb zu halten. Das wiederum senkt die Kosten im Recruiting.  

3. Vereinbarkeit größer denken: Nicht nur Beschäftigte mit kleinen Kindern müssen Beruf und Familie in Einklang bringen. Im Zuge des demografischen Wandels wird es in den nächsten Jahren viele Fachkräfte geben, die sich nebenbei um ihre pflegebedürftigen Eltern kümmern müssen. Arbeitgeber sollten deshalb Vereinbarkeitsangebote schaffen, die sich auch an diese Gruppe richten.  

Flexibles Arbeiten in der Produktion? Das war beim Süßwarenhersteller Sweet Tec aus Boizenburg/Elbe in Mecklenburg-Vorpommern früher nicht möglich. 24 Stunden am Tag fließt dort Zuckermasse für Bonbons und Co. durch die Rohre. Den Prozess zu unterbrechen und die Masse erkalten zu lassen, wäre problematisch. Genau wie es auch wirtschaftlich Sinn macht, die Maschinen nicht an- und abfahren zu lassen. Aus diesem Grund wird in der Produktion im klassischen Vollzeit-Schichtbetrieb gearbeitet.

Doch das Unternehmen, welches 450 Menschen beschäftigt, wollte es nicht dabei belassen. Immer wieder äußerten Mitarbeitende mit Kindern den Wunsch nach Arbeitszeiten, die besser mit ihrem Privatleben vereinbar sind. Inzwischen gibt es dafür eine Lösung: die sogenannten Elternschichten.  

Elternschichten: So funktioniert das Modell 

Das Konzept sieht vor, dass die Mitarbeitenden in Teilzeit vier bis sechs Stunden am Tag arbeiten und flexibel zwischen sechs und neun Uhr morgens anfangen können. So ist es möglich, die Arbeitszeit an ihr Familienleben anzupassen.  Dafür tauschen sie ihren Job gegen speziell darauf ausgelegte Tätigkeiten ein. 

Zwei Elternschicht-Arbeitsplätze wurden für hochqualifizierte Kräfte geschaffen. Die teilnehmenden Personen werden für die Ausbildung neuer Mitarbeitender und Nachwuchskräfte eingesetzt. “Das sind zum Beispiel gut ausgebildete Lebensmitteltechnikerinnen, deren Wissen wir so sehr gut nutzen können”, erklärt Sonja Schindler. Sie ist für die Organisationsentwicklung in dem Familienbetrieb zuständig, den ihr Mann vor zwanzig Jahren gründete.  

Zusätzlich gibt es zehn solcher Arbeitsplätze für Beschäftigte, für die keine Fachqualifikation notwendig ist. Die Aufgabenstellung ist zeitlich unkritisch und unabhängig von der eigentlichen Produktion. So werden mit ihrer Unterstützung zum Beispiel Saisonartikel verpackt – wie die individuelle Befüllung der Adventskalender.

Vorteile: Mitarbeitende binden, Image stärken  

Als das Unternehmen 2018 mit dem Modell startete und die Stellen im Intranet ausschrieb, gab es direkt viele Bewerbungen. Auch Mitarbeitende, die in Elternzeit waren, konnten sich bewerben. In Gesprächen wurden die Konditionen genau erläutert. Die Bezahlung bleibt gleich, die Stellen sind aber auf drei Jahre befristet. “Wir wollen, dass möglichst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Chance bekommen, von dem Angebot zu profitieren”, sagt Schindler. Eine Verlängerung über die drei Jahre hinaus ist möglich, wenn sich zu dem Zeitpunkt nicht genügend andere Mitarbeitende für die Elternschichten interessieren. Ansonsten kehren die Betroffenen wieder an ihre regulären Arbeitsplätze zurück.  

Auch neue Beschäftigte konnte Sweet Tec mit dem Modell schon überzeugen. In Jahren, in denen es zu wenige interne Interessierte gibt, schreibt das Unternehmen die Stellen extern aus.

Portrait Sonja Schindler

Das primäre Ziel ist, schon vorhandene Mitarbeitende im Unternehmen zu halten und nicht zu verlieren, wenn sich ihre familiäre Situation ändert.

Sonja Schindler, Leiterin Unternehmensorganisation und -kommunikation

“In der Belegschaft kommt es sehr gut an, dass wir das Modell anbieten”, erklärt sie. Tatsächlich waren die Beschäftigten bei der Entwicklung der Idee auch beteiligt. Denn Sweet Tec hatte Interessierte zu einem Forum eingeladen, um gemeinsam Ideen zu entwickeln für eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatem. Auch aus der Region habe es viel positive Resonanz gegeben. Flexibles Arbeiten in Produktionsunternehmen sei dort insgesamt noch wenig verbreitet.  

Herausforderungen: Kosten und Krankenquote 

Wer Elternschichten im Betrieb einführen will, sollte sich allerdings auch der Herausforderungen bewusst sein. Die speziellen, extra geschaffenen Arbeitsplätze anzubieten, verursache höhere Kosten, als dieselben Aufgaben im Regelbetrieb zu erledigen. Und den Beschäftigten müsse von Beginn an klar sein, dass die Aufgaben teils ganz anders sind als in ihrem regulären Job, sagt Schindler. Sonst könne das später für Frust sorgen.  

Zudem ist die Krankenquote in den Elternschichten höher. “Gerade, wenn die Kinder in die Kita kommen, bleibt es nicht aus das man die ersten Krankheiten mitnimmt und sich manchmal auch die Mütter und Väter mit anstecken. Das führt zu überdurchschnittlich vielen Ausfällen in diesen Schichten”, sagt Schindler, die selbst drei Kinder hat und aus Erfahrung spricht.  

Ihr Fazit fällt dennoch positiv aus. “Mit dem Modell erfüllen wir unsere soziale Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden”, sagt sie. “Und es ist uns damit gelungen, wertvolle Beschäftigte langfristig im Unternehmen zu halten.”  

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Vereinbarkeit auch für pflegende Angehörige 

Schindler plant, das Vereinbarkeitsangebot in Zukunft weiter auszubauen – und zwar nicht nur für Familien mit kleinen Kindern. “Das Thema Pflegende Angehörige beschäftigt uns gerade stark”, sagt sie. Immer mehr Mitarbeitende stünden vor der Herausforderung, sich parallel zum Job um ihre pflegebedürftigen Eltern zu kümmern.  

Bislang habe man immer individuelle Lösungen gefunden. “Aber wir wollen auch ein festes Angebot machen”, sagt sie. Ihr schwebt vor, digitale Schichtwechselmöglichkeiten anzubieten: “Wenn zum Beispiel jemand dienstags mit seiner Mutter zum Arzt muss, könnte er seine Schicht in einem Onlinesystem anbieten und jemand anderes kann sie mit wenigen Klicks übernehmen.” Das ermögliche, dass die Beschäftigten sich selbst abstimmen können, ohne dass das Unternehmen Organisationsaufwand hat. “Damit müssen wir uns aber noch tiefer auseinandersetzen und auch das passende Tool finden”, sagt Schindler.  

Weiterentwickelt hat sie bereits die Kooperation mit einer Kita. Diese bietet feste Plätze für Mitarbeiterkinder an und bekommt im Gegenzug finanzielle Unterstützung vom Unternehmen. Inzwischen können die Eltern ihre Kinder schon um sechs Uhr morgens bringen – ein großer Vorteil in der Schichtarbeit. Zudem organisieren wir über ein Feriencamp eine Betreuung in den Sommerferien.  

Ganz nebenbei lässt sich so sogar Nachwuchs für den Betrieb begeistern. Es gibt einige Fälle, in denen die Kinder von Mitarbeitenden später ihre Ausbildung bei Sweet Tec begonnen haben. Über diese Nachwuchskräfte freut Schindler sich besonders: “Das ist für uns als Familienunternehmen die schönste Bestätigung.”  

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