Führungskultur mit viel Beteiligung
Neue Kommunikationsregeln, mehr Transparenz
„Die Anwesenheitsquote heute ist ziemlich gut“, sagt Frank Geise zufrieden, als er durch die Räume von Synaxon geht. Er ist Personalleiter bei dem IT-Unternehmen mit rund 300 Mitarbeitenden im nordrhein-westfälischen Schloß Holte-Stukenbrock. Zwischen 30 und 40 Prozent der Beschäftigten seien ins Büro gekommen - das sei ziemlich viel. Denn eigentlich müsste niemand hier sein: Die Mitarbeitenden können jeden Tag entscheiden, wo sie arbeiten.
Das Unternehmen hat sich gezielt dafür entschieden, den Beschäftigten so große Freiheiten einzuräumen. Nur so ließen sich ausreichend Fachkräfte - von Programmiererinnen und Programmierern bis zu Marketing-Fachleuten - in die ostwestfälische Provinz locken und dort halten. Schon vor der Corona-Pandemie gewährte Synaxon deswegen viele Freiheiten. Doch dass der Großteil der Beschäftigten nun fast immer zu Hause bleibt, war eine große Veränderung. Was bedeutet das für die Personalführung?
Gute Führung: Neue Regeln für die Kommunikation
„Wir mussten unsere Führungskultur in eine neue Welt übertragen”, sagt Synaxon-Vorstand Mark Schröder. Am wichtigsten ist aus seiner Sicht die veränderte Kommunikation. Denn wenn die Mitarbeitenden nicht mehr Tag für Tag im Büro aufeinandertreffen, gibt es deutlich weniger zufällige Möglichkeiten für persönlichen Austausch. Auch die Körpersprache fehlt, sodass leichter Missverständnisse entstehen können. Insbesondere für Führungskräfte ist das eine große Herausforderung.
Der Vorstand hat in der Pandemie deshalb Leitlinien für die digitale Kommunikation festgelegt. Diese gelten auch in Zukunft. „Führungskräfte sind angehalten, aktiv den Kontakt zu ihren Mitarbeitenden zu suchen”, sagt Schröder. Mindestens einmal pro Tag sollte jeder im Unternehmen die Stimme seiner Führungskraft hören, damit diese das Gespür für ihre Mitarbeitenden nicht verlieren. Die Teams können aber individuelle Absprachen treffen und davon abweichen, da nicht alle Beschäftigten eine so enge Absprache brauchen. Zudem treffen sich die einzelnen Teams ein- bis dreimal pro Woche in einem Video-Meeting. Auszubildende und neue Mitarbeitende in der Probezeit kommen zudem regelmäßig ins Büro, um das Unternehmen auch vor Ort kennenzulernen.
“Management Circus”: Mitarbeiter an Entscheidungen beteiligen
Zudem sorgt der Vorstand für mehr Transparenz und beteiligt die Belegschaft an Entscheidungen. In mehreren Workshops entwickelte er mit interessierten Mitarbeitenden passende Formate. Eins davon ist der „Management Circus“: Alle zwei Wochen können die Mitarbeitenden am digitalen Treffen der Geschäftsleitung teilnehmen. Sie hören, welche Beschlüsse gefasst werden und warum. Und sie können sich selbst zu Wort melden und ihre Meinung äußern. „Natürlich können wir dort nicht über sensible strategische Themen sprechen. Aber wir können einen großen Teil der Entscheidungsfindung transparent machen“, sagt Schröder. Das, so glaubt er, ist zentral, um eine größere Verbundenheit zum Unternehmen zu schaffen.
Wie bei vielen anderen Unternehmen hat diese Verbundenheit bei Synaxon im Zuge der Pandemie gelitten. Die Fluktuationsrate ist sprunghaft angestiegen, aktuell liegt sie bei etwa 15 Prozent. Woran liegt das? Der Vorstand hat schon versucht, die Gründe durch eine Mitarbeitendenbefragung zu ermitteln. Mit scheidenden Beschäftigten werden zudem Austrittsgespräche geführt. Ein klares Bild zeige sich dabei nicht, sagt Schröder. Er erklärt sich die hohe Wechselbereitschaft damit, dass viele Fachkräfte durch die Pandemie noch stärker infrage stellen, wohin sie sich entwickeln wollen und deshalb schneller kündigen. Umso mehr sei es an der Führung, attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Ganz ohne Präsenz im Betrieb, so glaubt der Synaxon-Vorstand, dürfte das schwierig werden. Deshalb ist er kürzlich dazu übergegangen, Beschäftigte zu mehr persönlichen Treffen zu ermutigen. Die Empfehlung: zweimal pro Woche vor Ort sein. Ein Anreiz dafür ist die Bürofläche, die trotz der geringen Auslastung noch attraktiver gestaltet werden soll. Schon jetzt stehen dort Liegestühle unter Sonnenschirmen, Meetings finden etwa im sogenannten Kaminzimmer in Holzoptik statt. Und in der Unternehmens-Bibliothek sind Sofas und ein Fernseher aufgebaut – kuschelige Kissen inklusive.
Präsenz: Führungskräfte als Vorbilder
Vorangehen sollen dabei die Führungskräfte selbst. „Vorgesetzte haben grundsätzlich eine Vorbildfunktion“, sagt Schröder. Mit Blick auf das Vor-Ort-Sein heißt das: Sie sollen mindestens zwei Tage pro Woche zwischen Dienstag und Donnerstag im Büro sein. Einmal im Quartal laden sie zudem zu sogenannten Stammestreffen ein: Die Teams verbringen einen ganzen Tag zusammen – machen Workshops, grillen oder gehen anderen Aktivitäten nach. „Und über Berufliches“, ergänzt Schröder, „wird dabei natürlich auch diskutiert.“ Er hofft, dass der Zusammenhalt untereinander und die Bindung zum Unternehmen dadurch schon bald wieder zunimmt.