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Psychische Gesundheit im Betrieb fördern

Psychische Gesundheit im Betrieb fördern

Zuletzt aktualisiert: 27. März 2024

Psychische Gesundheit wird ein immer wichtigeres Thema bei der Bindung von Fachkräften. Die Arbeitspsychologin Franziska Eisenmann erklärt, wie Betriebe das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden fördern können und wo sie bei Erkrankungen Rat finden.

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3 Tipps zum Thema Psychische Gesundheit

Franziska Eisenmann
  1. Prävention: Führungskräfte sollten Zeit einplanen, um sich um die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Beschäftigten zu kümmern. Ein guter erster Schritt ist, kurze, aber regelmäßige Besprechungen einzuführen und nicht nur einmal im Jahr zu einem Mitarbeitendengespräch einzuladen. Helfen kann zum Beispiel eine Teambesprechung einmal die Woche zu Fragen wie: Was läuft gut? Wo wird Unterstützung gebraucht?
  2. Auffälligkeiten ansprechen: Verhalten Mitarbeitende sich ungewöhnlich, sollten Führungskräfte das in einem vertraulichen Rahmen ansprechen. Wichtig ist dabei umsichtige Kommunikation: Ich-Botschaften („Ich habe festgestellt…“ oder „Ich nehme wahr…“) sind geeigneter als die Frage „Warum bist du ständig unpünktlich?“.
  3. Hilfe nutzen: Betriebe können sich mit Fragen zur psychischen Gesundheit an ihre zuständige Berufsgenossenschaft wenden. Diese kann mit Infomaterial, Beratungen und Schulungen weiterhelfen – oft sogar kostenlos.
Arbeitspsychologin Franziska EisenmannVerwaltungs-Berufsgenossenschaft VBG

Psychische Gesundheit ist ein Thema, mit dem viele Unternehmen sich nur wenig auseinandersetzen. Was ist damit genau gemeint? Und was können Betriebe tun, um die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu fördern? Die Arbeitspsychologin Franziska Eisenmann berät Betriebe vieler Branchen genau zu solchen Fragen. Sie arbeitet für die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft VBG und berät Betriebe dabei, gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen zu erkennen und zu gestalten. Im Interview erklärt sie, welche konkreten Maßnahmen Führungskräfte umsetzen können – und warum das immer wichtiger für die Mitarbeitendenbindung wird.

Mentale Gesundheit ist ein Trendthema. Was ist mit dem Begriff genau gemeint?

Frau Eisenmann: Ich bevorzuge den Begriff psychische Gesundheit. Damit ist ein Zustand des Wohlbefindens gemeint. Wer also psychisch gesund ist, ist in der Lage, mit den normalen Lebensbelastungen umzugehen. In Bezug auf den Beruf geht es insbesondere darum, produktiv arbeiten zu können. Unterschiedliche Faktoren können dazu führen, dass dies nicht möglich ist – etwa durch unzureichend gestaltete Arbeitsbedingungen. Das können beispielsweise eine ungeeignete Arbeitsumgebung, Arbeitsmittel oder soziale Beziehungen sein.

Welche Beeinträchtigungen können dadurch entstehen?

Frau Eisenmann: Nehmen wir das Beispiel Lärm: Es ist allgemein bekannt, dass Lärm das Gehör schädigen kann. Weniger beachtet wird, dass er auch auf die Funktion des Gehirns wirkt. Die Fehlerhäufigkeit steigt, es kommt häufiger zu Missverständnissen. Neben Lärm gibt es noch eine Vielzahl weiterer Faktoren, die sich kurz- und langfristig negativ auf die Gesundheit auswirken können. Dazu zählen beispielsweise Zeitdruck, Informationsüberlastung oder auch soziale Konflikte am Arbeitsplatz.

Wie häufig kommt es zu psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz?

Frau Eisenmann: Bei der Entstehung von psychischen Störungen können viele unterschiedliche Faktoren Einfluss haben: etwa privat, beruflich, aber auch genetisch. Klar ist: Die Zahl der Betroffenen steigt, und die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeitszeit pro Fall ist bei psychischen Störungen deutlich länger als bei anderen Krankheiten. Was den Arbeitsplatz angeht, sind Unternehmen laut Arbeitsschutzgesetz dazu verpflichtet, Beeinträchtigungen zu vermeiden. Sie müssen die Belastungen für bestimmte Tätigkeitsbereiche ermitteln und daraus passende Maßnahmen ableiten.

Was können Führungskräfte tun, um die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden zu fördern?

Frau Eisenmann: Zunächst beginnt alles mit einer gesunden Selbstführung der Führungskräfte, worauf eine gesunde Mitarbeitendenführung aufbaut. Häufig fehlt Führungskräften Wissen oder Zeit, um das zu leisten. Ein erster Schritt ist deshalb, sich zu informieren und entsprechend schulen zu lassen. Die Berufsgenossenschaften bieten dafür sehr gute Angebote – viele davon sind sogar kostenlos. 

Informationen über gesunde Führung und Gefährdungsbeurteilung:

Wenn ich nun als Führungskraft das Gefühl habe, dass ein Beschäftigter oder eine Beschäftigte psychische beeinträchtig ist: Was kann ich tun? Können Sie ein Beispiel nennen?

Frau Eisenmann: Jedes abweichende Verhalten kann ein Indiz für eine Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit sein: etwa, dass jemand plötzlich oft unpünktlich ist, häufiger als sonst Fristen versäumt oder sich immer mehr zurückzieht. Führungskräfte sollten möglichst schnell das Gespräch mit der Person suchen. Und zwar nicht zwischen Tür und Angel, sondern in einem vertraulichen Rahmen und mit vorheriger Ankündigung. Wichtig ist, in Ich-Botschaften zu kommunizieren – also „Ich nehme wahr“ oder „Ich habe das Gefühl“ statt „Warum bist du immer unpünktlich?“.

Was ist, wenn sich in einem solchen Gespräch herausstellt, dass es der Person tatsächlich sehr schlecht geht?

Frau Eisenmann: Führungskräfte sollten sich im Vorhinein informieren, welche Möglichkeiten sie in solchen Situationen haben. In Extremfällen, etwa bei Panikattacken, kann man wie bei anderen Notfällen auch den Rettungsdienst über die 112 rufen. Wichtig ist aber, sich systematisch aufzustellen: Für kleine und mittlere Unternehmen kann es eine gute Möglichkeit sein, mit externen Partnerinnen und Partnern zusammenzuarbeiten. Oft gibt es regionale Initiativen, bei denen Betroffene professionelle Hilfe bekommen können. Auch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung bietet sehr viele Informationen und konkrete Tipps dazu, wie man mit psychisch beeinträchtigten Beschäftigten umgehen sollte. Doch auch Betriebe selbst können schon mit kleinen Dingen helfen.

Wie denn?

Frau Eisenmann: Leidet ein Beschäftigter an einer psychischen Störung, kann er oder sie leicht für längere Zeit ausfallen, um eine Therapie zu machen. Den Betroffenen hilft es sehr, wenn es im Betrieb eine Person gibt, die den Kontakt zu ihnen hält: beispielsweise im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Wenn diese sich regelmäßig meldet, wird deutlich, dass ernsthaftes Interesse an ihnen besteht und nicht egal ist, ob sie überhaupt zurückkommen.

Wiedereingliederung nach Krankheit oder Unfall: Ein betriebliches Eingliederungsmanagement unterstützt Betroffene bei der Rückkehr ins Arbeitsleben.

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Noch besser wäre, wenn es gar nicht erst zu einer Beeinträchtigung kommt. Was können Führungskräfte zur Prävention tun?

Frau Eisenmann: Gute Rahmenbedingungen im Arbeitsalltag schaffen. Ein ganz wichtiger Faktor ist, das Team im Blick zu haben und sich wirklich Zeit für Führung zu nehmen. Man sollte zum Beispiel nicht nur einmal im Jahr das offizielle Mitarbeitendengespräch reinquetschen, sondern sich viel öfter mit den Beschäftigten unterhalten. Regelmäßige Teambesprechungen sind essenziell. Weiß ich überhaupt, was meine Beschäftigten gerade machen und brauchen? Wie ist die Stimmung unter den Kolleginnen und Kollegen? Ein kurzer, regelmäßiger Austausch ist besser als überladene Treffen. Das kann einmal die Woche sein oder jeden Vormittag. Dabei sollte man möglichst immer die gleichen Punkte durchgehen, dann geht es relativ schnell. Zum Beispiel: Was läuft aktuell gut? Wo sollten wir nachsteuern? Wo kann ich unterstützen?

Wer sich um die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden kümmert, kann auch den Fachkräftemangel besser bewältigen. Stimmt das?

Frau Eisenmann: Davon bin ich überzeugt. Immer mehr Beschäftigte sagen: Wenn ich bei meinem Arbeitgeber nicht gut arbeiten kann, dann suche ich mir etwas anderes. Die Mitarbeitendenbindung steigt, wenn Führungskräfte sich um die psychische Gesundheit kümmern. Und bei der Suche nach einem neuen Job ist das Bewusstsein des Betriebs zur psychischen Gesundheit ein wichtiger Faktor, sich für oder gegen ein Unternehmen zu entscheiden. Wer hier eine gute Kultur entwickelt und das nach außen kommuniziert, zeigt, dass er oder sie es wirklich ernst meint.

Vielen Dank für das Gespräch.