Trotz Krisen gut ins neue Jahr starten
Krieg, Energieknappheit, Inflation: Die Menschen sind derzeit vielen negativen Ereignissen und Informationen ausgesetzt. Das wirkt sich auch auf den Arbeitsalltag aus. Was Führungskräfte in dieser Situation tun sollten, erklärt der Wirtschaftspsychologe und Buchautor Florian Becker, Professor an der Technischen Hochschule Rosenheim. Seine Tipps helfen, mit motivierten Mitarbeitenden positiv ins neue Jahr zu starten – und selbst ausgeglichen zu bleiben.
3 Tipps, um trotz Krisen gut ins neue Jahr zu starten:
- Seien Sie ein Vorbild für Ihre Mitarbeitenden. Wenn Sie ihnen in der Krise viel zumuten, sollten Sie selbst auch sichtbar machen, dass Sie Einbußen hinnehmen.
- Schaffen Sie eine Kultur der Stärken statt einer Kultur der Fehler. Loben Sie. Gehen Sie zum Beispiel so vor: A. Erklären Sie, was ein Mitarbeitender gemacht hat. B. Erklären Sie, warum das gut ist. C. Erklären Sie, wie Sie als Führungskraft sich damit fühlen.
- Achten Sie auf sich selbst: Immer härter zu arbeiten und immer weniger zu schlafen, lässt Sie nicht unbedingt bessere Ergebnisse erzielen – im Gegenteil. Schützen Sie Ihre Konzentration und Leistungsfähigkeit. Die ist jetzt mehr denn je gefragt. Nehmen Sie sich bewusst vor, regelmäßig Pausen in den Tag einzubauen und versuchen Sie, fokussiert zu arbeiten.
Wie schafft man es, trotz vieler Krisen als Führungskraft Ruhe auszustrahlen?
Zunächst sollten Führungskräfte sehr genau darauf achten, mit welchem Gefühl die Mitarbeitenden zur Arbeit kommen. In persönlichen Gesprächen und Meetings geht es dann darum, seine eigene Sicht auf die Dinge klarzumachen und zu zeigen, dass man ein Konzept für die Zukunft hat. Vorgesetzte müssen sich bewusst sein, dass sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen und Mitarbeitende sich an ihnen orientieren. Führungskräfte sollten sich deshalb grundsätzlich als gute Vorbilder verhalten. Wenn man den Mitarbeitenden viel zumutet – etwa Lohnverzicht oder Mehrarbeit – dann muss man selbst auch etwas opfern – und zwar sichtbar. Und man sollte versuchen, den Mitarbeitenden das Gefühl zu geben, dass sie ein Stück weit die Kontrolle zurückbekommen und in der Krise nicht machtlos sind.
Wie soll das gehen? Die Krisen sind für den Einzelnen kaum zu beeinflussen.
Es geht oft weniger um den tatsächlichen Einfluss und mehr um den psychologischen Effekt: also darum, dass die Mitarbeitenden das Gefühl haben, etwas tun zu können, anstatt hilflos zu sein. Nehmen wir zum Beispiel Workshops, in denen man zum radikalen Neudenken auffordert, um neue Geschäftsmöglichkeiten zu finden und alte Gewohnheiten infrage zu stellen. Es geht um die Einstellung: Wenn ein Team wirklich daran glaubt, dass es die Krise meistern kann, dann wird das auch eher gelingen. Diesen Geist sollte man bei den Mitarbeitenden verinnerlichen.
Was ist der wichtigste Schritt, um als Führungskraft positiv ins neue Jahr zu starten?
Führungskräfte sollten zusammen mit den Mitarbeitenden eine Vision entwickeln, wo man in einigen Jahren mit dem Unternehmen oder der Abteilung stehen will. Bei der Vision sollte man ruhig groß denken und sich an Rednern wie dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten Kennedy orientieren, der seine Vision vom ersten Mann auf dem Mond sehr bildhaft und emotional rüberbringen konnte. Es gibt den schönen Spruch: Ziele auf den Mond. Selbst wenn Du ihn verfehlst, wirst Du zwischen den Sternen landen. Führungskräfte sollten bei der Beschreibung ihrer Vision bewusst emotionalisieren, vom “daily business” abweichen, in dem es meist um harte, messbare Zahlen und Ziele geht.
Mit welchen konkreten Maßnahmen muss man diese Vision stützen?
Jede Vision braucht natürlich ein konkretes Konzept, einen Plan, wie man dort hinkommt. Das ist die Verbindung zur Realität. Hier geht es dann um die harten und messbaren Ziele. Wenn es eine überzeugende Vision gibt, entstehen die konkreten Maßnahmen oft wie von allein aus dem Team heraus. Gruppen entwickeln eine unglaubliche Kreativität, wenn sie ein verbindendes Ziel haben. Es geht darum, Dinge neu anzugehen oder zu entwickeln, vielleicht auch neu auf Kunden zuzugehen. Krisen sind eine Zeit der Disruption, in der man neue Dinge schneller ausprobiert als in normalen Zeiten.
Wie gelingt das konkret?
Eine ganz einfache Maßnahme ist, über Erfolge zu reden und sie auch gemeinsam zu feiern. Zu häufig werden Erfolge als etwas Selbstverständliches gesehen. Eine andere simple Maßnahme: eine Kultur des Lobens einzuführen. Viele Führungskräfte wissen nicht, wie man richtig lobt und machen es, wenn überhaupt, sehr platt. Hier lohnt es wirklich, das sogenannte beschreibende Lob einzusetzen – also genau zu erklären, was ein Mitarbeitender gemacht hat, warum das gut ist und wie man sich als Führungskraft damit fühlt. Das hat einen sehr positiven Effekt auf das Arbeitsklima, steigert die Motivation und die Beschäftigten können daraus lernen.
Führungskräfte sind auch nur Menschen. Was können sie für sich selbst tun, um im neuen Jahr motiviert und gesund zu bleiben?
Ein guter Vorsatz ist, fokussierter und konzentrierter zu arbeiten. Studien zeigen: Mitarbeiter werden im Schnitt alle vier Minuten bei der Arbeit unterbrochen und abgelenkt, verlieren zwei Stunden Arbeitszeit am Tag nur durch Ablenkung. Bei Führungskräften ist es noch schlimmer, insbesondere in der Krise. Sie werden von allen Seiten abgelenkt von ihrem Weg. Ablenkung erzeugt mehr Fehler, Stressgefühl, ist tödlich für die Leistung. Das bedeutet auch für die Führungskraft: Raum für ungestörte und konzentrierte Arbeit schaffen. Pausen sind essenziell, zum Beispiel bei einem Spaziergang im Grünen. Und mehr schlafen ist auch äußerst hilfreich.
Wir bedanken uns für das Gespräch.