Flexibel und reflektiert führen
3 Führungs-Tipps von Armin Trost
1. Umfeld analysieren: Es gibt kein allgemeingültiges Verhaltensmuster, das Führungskräfte einfach übernehmen können. Sie sollten deshalb zunächst überlegen, wie Ihr Umfeld tickt und wie Sie darin auftreten möchten.
2. Sich selbst reflektieren: Sie sollten sich und ihre Umwelt sehr stark reflektieren. Die Zeit, in der man einfach eine Führungstechnik aus einem Fachbuch anwenden kann und eine Führungsrolle für alle Situationen passend ist, ist vorbei.
3. Führungsrolle klar kommunizieren: Sprechen Sie mit den Mitarbeitenden darüber, wie Sie führen. So können diese ein besseres Verständnis für Ihre Entscheidungen entwickeln, und die Zusammenarbeit wird unkomplizierter.
Ein Experteninterview mit Prof. Dr. Armin Trost
Armin Trost ist Professor für Personalmanagement und Dekan an der Business School der Hochschule Furtwangen. In seiner Forschung und seinen Vorträgen beschäftigt er sich mit den Herausforderungen, die Führungskräfte in Zeiten von Künstlicher Intelligenz, Remote Arbeit und Fachkräftemangel meistern müssen. Er ist überzeugt: Für gute Führung gibt es keine allgemeingültigen Grundsätze – jede Chefin und jeder Chef muss eigene Wege finden.
Was bedeutet Führung heute?
Früher wurde von der Spitze des Unternehmens festgelegt, wie Führungskräfte sich verhalten sollen. Da kommt man heute immer mehr von weg. Denn man hat erkannt, dass angesichts der Vielfalt an Persönlichkeiten in Unternehmen unterschiedliche Führungsstile gefragt sind. Einen allgemeingültigen Grundsatz, wie gute Führung aussieht, gibt es deshalb nicht. Nur einen Grundsatz halte ich für richtig: Jede Führungskraft muss ihr eigenes Führungsverständnis finden, vermitteln und danach handeln.
Es lassen sich aber doch sicher unterschiedliche Führungstypen unterscheiden.
Richtig. Ich würde vier Rollen unterscheiden. Jede Führungskraft sollte alle Rollen auf sich vereinen – kann aber unterscheiden, wie sie die Rollen gewichtet. Die erste ist die Boss-Rolle, in der Führungskräfte typischerweise sagen: Ich entscheide, löse Probleme und sage den Mitarbeitenden, was zu tun ist. Die zweite ist die des Coaches: Coaches setzen auf die Eigenverantwortlichkeit der Leute. Sie fordern viel ein, stellen den Mitarbeitenden Fragen und vertrauen darauf, dass diese ihrer Verantwortung nachkommen. Das ist eine sehr anstrengende Rolle, denn die meisten Mitarbeitenden möchten so nicht geführt werden.
Und Rolle drei und vier?
Drittens gibt es die Rolle des Partners oder der Partnerin: Sie teilen die Verantwortung, entscheiden gemeinsam mit den Beschäftigten und moderieren. Und viertens gibt es die Befähiger: Sie sorgen dafür, dass die Rahmenbedingungen stimmen und die Mitarbeitenden alles haben, was sie brauchen, um selbstständig arbeiten zu können. Je nachdem, für welche Rolle man sich in einer Situation entscheidet, kommt es zu sehr unterschiedlichen Verhaltensmustern.
Welcher Typ Führungskraft sind Sie selbst?
Ich bin Dekan und ich führe 20 Professorinnen und Professoren. Meine primäre Führungsrolle ist dabei die des Partners. Professoren wollen nicht von einem Boss geführt werden.
Hängt es also vom Qualifikationsniveau der Geführten ab, welche Rolle die richtige ist?
Richtig, das ist ein wichtiges Kriterium. Es gibt heute oft Mitarbeitende, die mehr Ahnung in ihrem Bereich haben als die Führungskraft. Und wenn man Leute führt, die einem fachlich überlegen sind, hat es die Boss-Rolle schwer. Da ist eher der Coach oder Partner angebracht. Aber Vorsicht: Es gibt Führungsumwelten und Situationen, in denen die Boss-Rolle genau richtig ist – wo man von oben eine Entscheidung treffen muss. Jede Führungskraft muss auch mal Boss sein. Wichtig ist, sein Führungsverständnis klar zu kommunizieren.
Was heißt das konkret?
Man muss den Mitarbeitenden ausdrücklich sagen, mit welchem Führungsstil sie rechnen können. In der Coach-Rolle sollte man klarmachen, dass man auf jede Frage, die eine Person stellt, mit einer Gegenfrage reagieren wird, damit die Person selbst eine Lösung finden kann. Gute Führung heißt, dass Führungskräfte und Geführte sich vertrauen und ihr Gegenüber einschätzen können.
Wie hat sich die Zusammenarbeit durch Krisen, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz verändert?
Immer mehr Führungskräfte nehmen die Rolle des Partners oder Coaches ein. Wir befinden uns in einer vernetzten Realität, deshalb müssen wir auch vernetzt und kreativ arbeiten.
Welche Herausforderungen gibt es dabei?
Dass viele Mitarbeitende diese neuen Führungsrollen ablehnen. Die Tendenz, den Boss einzufordern, ist sehr bequem und naheliegend für Menschen. Viele Führungskräfte würden eigentlich gern mehr Verantwortung abgeben, gehen aber – oft zurecht – davon aus, dass die Leute nicht mehr Eigenverantwortung und Selbststeuerung übernehmen möchten.
Wie kann es dennoch klappen? Welche Kompetenzen brauchen Führungskräfte?
Sie müssen sich und ihre Umwelt sehr stark reflektieren. Die Zeit, in der man einfach eine Führungstechnik aus einem Fachbuch anwenden kann, ist vorbei.
Haben Sie spezielle Tipps für kleine und mittelgroße Unternehmen? Wie können Führungskräfte hier den richtigen Mix aus den unterschiedlichen Rollen finden?
Das lässt sich nicht verallgemeinern, dafür sind die Unternehmen zu unterschiedlich. Nehmen Sie das Beispiel Vertrieb: Wenn jemand Versicherungen vertreibt, kommt er mit der Boss-Rolle sehr gut klar. Die Führungskraft kann ihren Mitarbeitenden sagen: Je mehr ihr verkauft, desto mehr Geld bekommt ihr. In anderen Branchen, etwa dem Maschinenbau, funktioniert Vertrieb hingegen ganz anders. Für KMU gilt also – wie für jedes andere Unternehmen auch: Die Führungskräfte sollten einen Stil finden, der zu ihrem Unternehmen und den Aufgaben passt. Was bei KMU allgemein verbreitet ist, ist statisches, langfristiges Planen. Es gibt aufwendige Berichtswege nach oben und die Chef-Etage entscheidet, welche Änderungen umgesetzt werden. Diese hierarchische Arbeitsweise macht Unternehmen unglaublich langsam – und wer kann sich das in einer vernetzten Welt noch leisten?
Was sollten Führungskräfte tun, um ihre Mitarbeitenden zu motivieren und zu binden?
Sie setzen mit Ihrer Frage voraus, dass Führungskräfte dazu da sind, ihre Mitarbeitenden zu motivieren. Das stimmt aber nicht immer. Der Coach motiviert gar nicht, sondern geht davon aus, dass die Mitarbeitenden intrinsisch motiviert sind. Der Befähiger spornt an, eine Herausforderung anzunehmen. Der Boss motiviert, indem er anspornt und belohnt. Der Partner motiviert, indem er ein Wir-Gefühl und Kampfgeist herstellt. Jede Führungskraft sollte sich überlegen, welcher Rollenmix zu ihr passt.