Feedbackkultur etablieren
»Nicht geschimpft ist Lob genug« – ein Motto, das in vielen Unternehmen vorherrscht. Doch Feedback beinhaltet nicht nur Lob, sondern umfasst auch konstruktive Kritik und neutrale Rückmeldungen im Alltag. Um eine positiv erfahrbare Feedbackkultur zu etablieren, bedarf es der Entwicklung von Gesprächskompetenzen und sinnvoll kombinierter Feedbackformate, die zu Ihrer Unternehmenskultur passen.
Bedeutung und Relevanz von Feedback
1. Steigerung von Motivation, Produktivität und Veränderungsbereitschaft
Es ist ein menschliches Grundbedürfnis, von anderen „gesehen“ und einbezogen zu werden, d. h. heißt, sich als selbstwirksam, zugehörig und eingebunden zu erleben. Kontinuierliches Feedback im Alltag in Form von Lob, konstruktiver Kritik, aktivem Zuhören, Nachfragen und authentischem Interesse kann dieses Grundbedürfnis erfüllen. Dies erhöht die Motivation und schafft Veränderungsbereitschaft. Jährliche Mitarbeitergespräche, wie sie in vielen Unternehmen üblich sind, reichen dafür nicht aus.
2. Entwicklung und Verbesserung der Zusammenarbeit
Das Kommunikationsmodell „Johari-Fenster“ der Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham zeigt: Menschliches Verhalten hat „blinde Flecken“. Das bedeutet, dass die Wirkung des eigenen Verhaltens teilweise unbewusst ist. Feedback ermöglicht einen Abgleich zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung, sodass „blinde Flecken“ im Verhalten bewusst gemacht und weiterentwickelt werden können.
3. Arbeitgeberattraktivität und Fachkräftesicherung
Insgesamt fördert eine gute Feedbackkultur eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die Ihre Arbeitgeberattraktivität steigert und damit die Gewinnung und Bindung von Fachkräften erleichtert.
Führungskultur mit viel Beteiligung
Neue Kommunikationsregeln, mehr Transparenz: Das mittelständische IT-Unternehmen Synaxon hat seine Führungskultur überarbeitet und setzt auf die Vorbildfunktion der Führungskräfte.
Wege zu einer gelebten Feedbackkultur
Je nach Größe, Zielsetzung und Unternehmenskultur ist es individuell, welche Kompetenzen und welche Feedbackstrukturen eine positiv erlebte Feedbackkultur schaffen. Als Orientierung können folgende acht Punkte dienen:
1) Kommunikation der Führungskräfte
Ihre Führungskräfte sind wichtige Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für Feedback: Sensibilisieren Sie Ihre Führungskräfte für die Bedeutung von kontinuierlichem Feedback im Arbeitsalltag, auch wenn Feedback zeitintensiv sein kann. Weisen Sie immer wieder auf den Nutzen von Feedback hin, wie erhöhte Veränderungsbereitschaft, Motivation, Produktivität und weniger Reibungsverluste in Form von Frustration, weil sich z. B. jemand zu wenig „gesehen“ fühlt.
2) Feedbackbeauftragte als Antrieb
Benennen Sie Verantwortliche für die Konzeption und Organisation unternehmensweiter Feedbackformate, z. B. eines „Kummerkastens“ und einer „Ideenbox“, in denen Beschäftigte regelmäßig und anonym Rückmeldung zu Sorgen, Herausforderungen, aber auch Innovationspotenzialen geben können. Dabei ist darauf zu achten, dass die Beschäftigten auch eine Rückmeldung auf ihr Feedback erhalten. Dies ist wichtig, um die Motivation für das Feedback aufrechtzuerhalten.
3) „Vertrauensspeicher“ füllen und psychologische Sicherheit schaffen
Vertrauen ist notwendig, damit Mitarbeitende ehrliches Feedback geben, insbesondere zwischen verschiedenen Hierarchieebenen. Nur durch Vertrauen kann die psychologische Sicherheit entstehen, die die Mitarbeitenden ermutigt, kritische Themen anzusprechen, Verletzlichkeit zu zeigen und Unsicherheiten zu teilen. Etablieren Sie regelmäßige „Beziehungsbooster“, bei denen es darum geht, echtes Interesse zu zeigen und regelmäßig Feedback einzuholen, um eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Setzen Sie „Beziehungsbooster“ auch auf der gleichen Hierarchieebene ein.
4) Bewusstsein für Konstruktivismus
Erfolgsfaktor für Feedback ist eine wertschätzende, neutrale Haltung. Aber: Subjektive Realitäten bestimmen unseren Alltag und verzerren die Wirklichkeit. Das macht Feedback manchmal schwierig. Wie Paul Watzlawick sagte: „Der Andersdenkende ist kein Idiot, er hat sich eben eine andere Wirklichkeit konstruiert“. Wir sprechen also stets aus der Perspektive unserer „Wahrheit“. Die Erfahrung zeigt, dass viele dies im Alltag vergessen. Nehmen Sie deshalb beim Feedback eine Haltung der „Demut“ ein und hinterfragen Sie öfter Ihre Perspektive. Wie oft meinen Sie zu wissen,
- wie eine Situation ist?
- was in anderen vorgeht?
- dass Sie recht haben?
Formulieren Sie aus der Ich-Perspektive und zeigen Sie Respekt vor der Wahrnehmung des anderen. Das erhöht die Bereitschaft des Gegenübers, Ihnen zuzuhören und Feedback anzunehmen.
- Aktuell erlebe ich…
- Ich sehe es anders…
- Ich respektiere deine Wahrnehmung…
Auch die VW-Formel oder die WWW-Formel können dazu beitragen, dass Feedback positiv aufgenommen wird.
5) Erwartungsmanagement und Umgang mit Störgefühlen
Fragen Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig, wie sie etwas wahrnehmen und was sie benötigen, um zuverlässiger arbeiten zu können. Klären Sie, was eine positive Feedbackkultur für Ihre Mitarbeitenden ausmacht und wie Sie im Alltag mit „Störgefühlen“ umgehen.
Wichtig: Es geht nicht darum, alle Bedürfnisse zu erfüllen oder alles gutzuheißen, sondern darum, dass sich der andere ernst genommen fühlt. Das kann ein starker Motivator sein.
Materialien zum Download
Etablierung einer Feedbackkultur
Hier finden Sie Methoden, um konstruktives Feedback zu geben.Retrospektive: Anleitung zur Durchführung
Nutzen Sie diesen Leitfaden, um eine Retrospektive durchzuführen.Check-in und Check-out als Möglichkeit für Feedback
Hier erfahren Sie, wie Sie den Anfang und das Ende von Meetings für Feedback nutzen können.Johari-Fenster: „Blinde Flecken“ verkleinern
Nutzen Sie das Johari-Fenster, um die Zusammenarbeit zu verbessern.Der Feedback-Stuhl
Schaffen Sie mit dem Feedback-Stuhl den Rahmen für Rückmeldungen auf Team-Ebene.Wertschätzung über das Stärkenfeedback
Nutzen Sie diesen Leitfaden, um positive Eigenschaften hervorzuheben.Checkliste: Etablierung einer Feedbackkultur
Prüfen Sie die Qualität Ihrer Feedbackkultur mithilfe dieser Checkliste.
6) Die Macht der Sprache: Gesprächskompetenz (weiter-)entwickeln
Die folgenden Erfolgskriterien erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Feedback positiv wahrgenommen wird:
Selbstführung: „Das Unsichtbare“ in der Kommunikation
Unsere Meinung und Haltung zu Gesagtem drückt sich auch über unsere Körpersprache aus und beeinflusst damit den Gesprächsverlauf – „Man kann nicht nicht kommunizieren“ formulierte Paul Watzlawick. Wenn ich denke „oh Mann, ist die anstrengend“ wird das beim Gegenüber ankommen und den Verlauf des Gesprächs wahrscheinlich negativ beeinflussen. Üben Sie sich immer wieder in einer wertschätzenden Haltung.
Hilfreich ist vor einem Gespräch, die eigene Haltung zu überprüfen und sich zu fragen:
- Bin ich innerlich zentriert und bereit für achtsames Feedback?
- Wie kann ich offen, wertschätzend und ohne Vorbehalte in das Gespräch gehen?
Timing, Ort, Kontext und Gegenüber
Feedback sollte je nach Ziel, Kontext und Gesprächspartnerin oder Gesprächspartner angemessen erfolgen. Gestalten Sie den Gesprächseinstieg angenehm und neutral, indem Sie z. B. nach dem persönlichen Befinden fragen und Bewertungen der Person sowie Verallgemeinerungen wie „Du hast wieder XY gemacht“ vermeiden.
„Wer fragt, der führt“ als Leitmotiv
In (Mitarbeiter-)Gesprächen kann es vorkommen, dass die Führungskraft zunächst ihre Sicht der Dinge darstellt und den Gesprächspartner bzw. die Gesprächspartnerin mit ihrer Sicht der Dinge „überfällt“. Dies kann für den weiteren Verlauf des Gesprächs nachteilig sein, da möglicherweise Dinge gesagt werden, die das Gegenüber dazu veranlassen, sich zu verschließen. Stellen Sie insbesondere zu Beginn eines Gesprächs möglichst offene Fragen. Dies signalisiert, dass Sie den Gesprächspartner besser verstehen wollen. Beispiele für offene Fragen sind:
- Wie nimmst du XY im Alltag/ in der Zusammenarbeit wahr?
- Was bedeutet XY für dich?
- Was ist dir in der Zusammenarbeit wichtig?
- Ich schätze deine Expertise. Gleichzeitig stehen wir unter massivem Veränderungsdruck. Was muss gegeben sein, damit du bei „XY“ mitgehen kannst oder was benötigst du, um mitgehen zu können?
Aktives Zuhören und Paraphrasieren
Aktives Zuhören bedeutet, präsent zu sein, einen Schritt zurückzutreten und sich durch Paraphrasieren zu vergewissern, dass ich den oder die andere richtig verstanden habe:
„Habe ich dich richtig verstanden, dass du XY als anstrengend empfindest?“.
Aktives Zuhören und Paraphrasieren tragen dazu bei, dass sich der andere „mit seinen Bedürfnissen gesehen“ fühlt. Paraphrasieren ist auch eine nützliche Methode, um Missverständnisse zu vermeiden, z. B. wenn über Ziele gesprochen wird. Statt zu fragen: Hast du verstanden? Sagen Sie z. B. „Ich möchte sicher sein, dass wir vom Gleichen ausgehen. Sag mir also bitte: Was hast du verstanden?“.
Verantwortung übernehmen
Übernehmen Sie Verantwortung für Ihre Gefühle und Bedürfnisse. Es macht einen Unterschied, ob Sie sagen „Ich bin sauer, weil du die Arbeit (schon wieder) fehlerhaft abgeliefert hast“ oder ob Sie sagen „Ich bin sauer, weil mir Qualität wichtig ist. Was benötigst du, damit sich die Qualität deiner Arbeit verbessert?“.
Mitarbeitergespräche helfen dem Unternehmen, Strategie und Ziele mit den Beschäftigten gemeinsam weiter zu entwickeln und Probleme frühzeitig zu erkennen.
Mehr erfahren7) Regelmäßiges Feedback
Falls es für Sie eine Herausforderung ist, zeitnah Feedback auf E-Mails zu geben: Nehmen Sie sich die Zeit. Und wenn es nur ein kurzes „Danke“ oder „Ich melde mich so bald wie möglich“ ist. Oft sind es die kleinen Alltagshandlungen, die dafür sorgen, dass alle motiviert sind und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit entsteht.
8) Die richtigen Feedback-Formate
Entscheiden Sie, welche Formate Sie nutzen wollen:
Unternehmensweit:
Unternehmensweite Formate sind zum Beispiel eine anonyme Mitarbeiterbefragung, ein 360 Grad Feedback oder ein Town Hall Meeting. Bei einem Town Hall Meeting können Mitarbeitende der Geschäftsführung Fragen stellen und Feedback geben.
Im Team:
Auf Team-Ebene eignen sich z. B. Retrospektiven, kreative Check-in/Check-outs, das „Stärkenfeedback“, der „Feedback-Stuhl“ oder das „Johari-Fenster“.
In einer Zweier-Konstellation:
Mitarbeitergespräche und regelmäßige Termine, bei denen Sie sich über Zufriedenheit, Herausforderungen oder Weiterbildungsbedarf Feedback einholen und geben können, eignen sich besonders für Zweier-Konstellationen. Nutzen Sie auch informelle Feedbackformate wie „Walk and Talks“ in Form eines gemeinsamen Spaziergangs. Für Führungskräfte ist es hilfreich, sich zu Führungsinhalten in regelmäßigen Abständen gegenseitig Feedback zu geben. Achten Sie besonders auf Feedback in Zweier-Teams und im Alltag. Das motiviert und bindet.